Covid-19 im Hotspot Mundhöhle
Was weiß man mittlerweile über die Zusammenhänge der Mundschleimhaut und dem Virus SARS-CoV-2 (Covid-19, Coronavirusinfektion)?
Die Mundschleimhaut ist die Eintrittspforte für das Virus Covid-19. Die Rezeptoren, die das Virus benötigt, um in den Körper zu gelangen, befinden sich größtenteils im Mund, besonders auf der Zunge! Somit kann man die Mundhöhle als Hotspot für Covid 19 bezeichnen und nicht wie zunächst vermutet das Lungengewebe.
Eine gesunde Mundschleimhaut und ein intaktes Immunsystem sind die erste Abwehr gegen das Eindringen des Virus und eine Ausbreitung in die Lunge. Eine kranke Mundschleimhaut, zb eine Parodontitis macht den Organismus anfälliger für eine Infektion mit dem Virus Covid 19.
„Vorläufig haben diese Ergebnisse den grundlegenden Mechanismus erklärt, daß die Mundhöhle ein potenziell hohes Risiko für die Infektionsanfälligkeit mit SARS-CoV-19 darstellt und einen Beweis für die Wichtigkeit zukünftiger Präventionsstrategien in der zahnärztlichen klinischen Praxis sowie im täglichen Leben geliefert.“ (High expression of ACE2 receptor of 2019-nCoV on the epithelial cells of oral mucosa. Xu, Hao & Zhong, Liang & Deng, Jiaxin & Peng, Jiakuan & Hongxia, Dan & Zeng, Xin & Li, Taiwen & Chen, Qianming. (2020). International Journal of Oral Science. 12)
„Es existieren mittlerweile Daten, dass in Gebieten, in denen die mangelnde Mundhygiene mehr Erkrankungen wie Karies oder Parodontitis verursacht, auch vermehrt tödliche Verläufe einer Corona-Erkrankung zu verzeichnen sind"(DGZMK)
Eine Parodontitis ist eine bakterielle Infektion mit häufig aggressiven Keimen.
50% der stationär aufgenommenen Corona-Patienten entwickelten eine bakterielle Sekundärinfektion aus der sich wiederum eine Sepsis entwickeln konnte. Diese Bakterien, können aus der Mundhöhle stammen.
Man weiß schon lange, daß sich krankmachende (pathogene) Bakterien aus der Mundhöhle (Parodontalkeime) in den Bronchien und unteren Atemtrakt ansiedeln können. Das kann zu einer sekundären Infektion oder Lungenentzündung führen.
Der Konsensbericht des Workshops der Gemeinsamen Europäischen Föderation für Parodontologie und der American Academy of Periodontology zu Parodontitis und systemischen Erkrankungen besagt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Organismen, die aus dem oralen Mikrobiom stammen, Lungeninfektionen verursachen können. (From focal sepsis to periodontal medicine: a century of exploring the role of the oral microbiome in systemic disease. Purnima S. Kumar. J Physiol 595.2 (2017) pp 465–476)
Global leiden zwischen 20 und 50 Prozent der Bevölkerung unter einer Parodontitis – häufig, ohne es zu wissen. Allein in Deutschland betrifft dies mehr als 11,5 Millionen Menschen. Eine fortgeschrittene Parodontitis mit einer Taschentiefe von mehr als 6 mm betrifft 10 bis 15 Prozent der Weltbevölkerung. Die World Health Organisation spricht sogar von der häufigsten Infektionskrankheit weltweit.
Diese Zahlen und Zusammenhänge machen klar, wie wichtig eine Keimreduktion in der Mundhöhle ist. Sowohl durch eine gründliche häusliche Mundhygiene als auch die professionelle Prophylaxe in der zahnärztlichen Praxis.
Parodontitis und Diabetes
Parodontitis und Diabetes sind komplexe Krankheiten, die häufig zusammenhängen und sich gegenseitig bedingen. Diabetiker haben häufig eine stärker ausgeprägte Parodontitis. Je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, desto ausgeprägter die Parodontitis.
Diabetiker gehören zur Risikogruppe - möglicherweise auch wegen der schlechteren Gesundheit der Mundhöhle und Schleimhaut.
Parodontitis und Herz-Kreislauferkrankungen
Auch Menschen mit chronischen kardiovaskulären Erkrankungen haben eine höhere Sterblichkeit bei einer Infektion mit Covid 19. Die Zusammenhänge zwischen beiden Erkrankungen durch das erhöhte Entzündungsniveau des Organismus sind lang bekannt und bewiesen.
Finnische Forscher schreiben, dass ältere Patienten und Patienten mit bestehenden chronischen Erkrankungen am stärksten von schweren Komplikationen und Todesfällen bei der COVID-19 Pandemie betroffen sind. Diese Tatsache wurde in den Medien gut kommuniziert und hat ein Gefühl der Sicherheit für Menschen geschaffen, die glauben, nicht in eine dieser Risikokategorien zu fallen. Tatsache ist jedoch, dass nicht jeder so sicher vor dieser Krankheit ist, wie er denkt. In Italien mussten über 50% der bestätigten COVID-19-Fälle ins Krankenhaus eingeliefert werden, und die Sterblichkeitsrate lag über 6%. 12% der italienischen Patienten auf der Intensivstation sind zwischen 18 und 50 Jahre alt. Möglicherweise spielt das Auftreten von Parodontitis schon bei Jugendlichen und die damit verbunden Belastung des Immunsystem durch Silent Inflammation (erhöhte Entzündungslevel) eine durchlässige Mucosa (Schleimhaut) eine Rolle.
Covid-19 und Vitamin D
Es gibt Hinweise auf einen starken Einfluss von VitD auf den Krankheitsverlauf einer Infektion mit Covid-19.
Zum einen unterstützt Vit D die Produktion von antimikrobiellen Peptiden im respiratorischen Epithel. Das verringert die Wahrscheinlichkeit einer Coronavirus-Infektion und die Entwicklung von COVID-19-Symptomen.
Zweitens könnte Vitamin D helfen, die Entzündungsreaktion des Immunsystems auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu reduzien. Es ist bekannt, dass Vitamin D mit dem Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2), das auch von SARS-CoV-2 als Eintrittsrezeptor in die Zelle genutzt wird, interagiert.
Zusammenfassend können wir empfehlen:
- zuverlässige und gewissenhafte häusliche Mundhygiene und auch Zungenreinigung
- In Abhängigkeit von der individuellen Situation engmaschige zahnärztlichen Prophylaxemaßnahmen
- Anwendung von antibakteriellen Mundspüllösungen Inwieweit dies einen Einfluss auf die Reduktion der Wahrscheinlichkeit einer Virusinfektion hat, ist nicht bewiesen. Ein positiver Einfluss auf die Keimreduktion ist klar gegeben.
- Es gibt erste Untersuchungen die auch zeigen, daß Mundspüllösungen mit Povidon-Jod antiviral auf der Mundschleimhaut wirken, und unter Umständen das Virus noch vor Eindringen in die Schleimhaut abtöten können.
- Abklärung des Vitamin D-Spiegels beim Hausarzt und gegebenenfalls Supplementierung
Literatur:
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